Spartacus ruft zur Tanzdemo auf: Club.Kultur.Leben
Wir – der Spartacus Potsdam - laden zu dieser Demonstration ein um auf die nach wie vor missliche Lage von Clubs und anderen kulturellen Orten aufmerksam zu machen sowie Forderungen an Politik und Verwaltung zu formulieren, durch transparente, konkrete und umsichtige Regelungen eine zügige Wiedereröffnungen von Dancefloors, Musik- und Theaterbühnen zu ermöglichen.
In Potsdam & bundesweit
Mit diesem Anliegen werden am Samstag, d. 19.06. Menschen bundesweit unter dem Motto „Kulturnot – wie kulturrelevant ist das System?" auf die Straße gehen, u.a. in Leipzig, München, Erfurt, Hamburg, Frankfurt Main und Mannheim. Und der Spartacus Potsdam lädt alle, denen eine reflektierte Partykultur am Herzen liegt und die sich nach unbeschwertem Kulturgenuss sehnen, ein sich an Demo zu beteiligen.
Wann, Wo und Wie
Los geht‘s am Samstag, d. 19.06. um 14 Uhr am Lustgarten. Kommt mit Maske, achtet auf Abstände und bringt genügend zu trinken mit. Es soll heiß werden.
Aufruf
In den letzten 10 Jahren war es nie so ruhig um den Spartacus Club und das freiLand Potsdam wie in den vergangenen 15 Monaten. Die Pandemie kappte von einem auf den anderen Tag Kunst, Kultur, Lebenslust und Leichtigkeit. Wir alle vermissen laute Bässe auf dem Dancefloor, wir vermissen Konzert- und Theatererlebnisse, wir vermissen das ungezwungene menschliche Beisammensein in unseren Soziokulturzentren und DIY-Läden.
Fallende Inzidenzen führen zu vorsichtigen Öffnungen. Das ist gut. Ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Doch bis Orte wie der Spartacus wieder Indoor Konzerte und Partys veranstalten können, wird es noch eine ganze Weile dauern. Das liegt zum einen an der andauernden Pandemie, zum anderen aber auch an einer verfehlten Politik, die es weder schafft, die Impfstrategie zügig und zuverlässig umzusetzen, noch konkrete und verbindliche Perspektiven für den Kulturbereich zu formulieren.
Viele Clubs und Kulturorte haben das letzte Jahr nur durch die Hilfe und Spenden von vielen Freund:innen und Besucher:innen überstanden. Der Spartacus Potsdam gehört dazu und wir möchten noch einmal richtig laut Dankeschön sagen für so viel Solidarität in schwierigen Zeiten. Ihr habt dazu beigetragen, dass der Spartacus weiter auf der Potsdamer Stadtkarte zu finden ist.
Mit der Demonstration werden wir auch anderen Akteur*innen von Kunst und Kultur aus Potsdam und Brandenburg den Raum geben, ihre Situation zu schildern, auf Probleme und Missstände hinzuweisen und ihre eigenen Forderungen zu formulieren.
Unser gemeinsames Ziel ist es mit angemessener Vorsicht und Hygienekonzepten möglichst bald wieder in ein schillerndes Kulturpotpourrie eintauchen zu können.
Daher fordern wir:
- ein Recht auf Kultur im Grundgesetz
- eine breitere Förderung zum Erhalt aller Kulturorte
- mehr Gehör für die Interessenvertretungen der freien Szene
- den Erhalt bestehender Kulturorte
- die Unterstützung bei der Wiedereröffnung von Kulturorten sowie bei der Durchführung von Open-Air-Veranstaltungen, z.B. durch Bürokratieabbau, einen transparenten Umgang mit Hygienekonzepten, durch Unterstützung von Politik und Verwaltung für Outdoor-Events
- die Schaffung von mehr dauerhaften Veranstaltungsflächen im Freien
- eine offene Kommunikation und Verantwortungsübernahme durch Land und Kommunen
Die Forderungen ausformuliert
Recht auf Kultur ins Grundgesetz
Wir fordern ein Recht auf unbeschränkte Teilhabe am kulturellen Leben sowie langfristige und stabile Sicherungsinstrumente. Kunst und Kultur können nur frei sein und ihren gesellschaftlichen Stellenwert einnehmen, wenn die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen gegeben sind und ihnen die notwendige Achtung und Akzeptanz auf allen politischen Ebenen entgegengebracht werden. Die grundrechtlich verankerte Kunstfreiheit verkommt zur Phrase, wenn ihre materiellen Bedingungen ausgeblendet werden.
Eine breitere Förderung zum Erhalt aller Kulturorte
Die subkulturelle und freie Szene ist ein wichtiger Teil des Stadtlebens. Sie schafft Zugehörigkeitsgefühl, Experimentier- und Schutzräume, abseits von institutionell geförderten Einrichtungen. In der Pandemie zeigten sich erstere von mangelnder struktureller Absicherung bedroht. Um auf lange Sicht die kulturelle Vielfalt zu erhalten, braucht es eine breitere, generationengerechte Kulturförderung, die sich auch an den Bedürfnissen einer jüngeren freien Szene und deren Publikum orientiert. Kein Kulturort soll aufgrund der Pandemie endgültig schließen müssen!
Mehr Gehör für die Interessenvertretungen der freien Szene
Die bisherigen Erfahrungen zeigen oftmals, dass die Politik der freien Szene weniger Aufmerksamkeit schenkt, sprich sie benachteiligt. Deshalb müssen Vernetzungsprojekte und Interessenvertretungen von alternativen und subkulturellen Kunst- und Kulturorten sowie der freien Szene gefördert werden.
In Potsdam gibt es gute Ansätze mit dem Rat für Kunst und Kultur bzw. dem in der Pandemie entstandenen Netzwerk #KulturMachtPotsdam, allerdings ohne strukturelle Absicherung. Auf Landesebene hat sich Impuls - Der Verband für Soziokultur, Popularmusik und Festivals u.a. durch die Förderung von Beschäftigten zu einer gut hörbaren Stimme von Soziokulturzentren und Festivalveranstaltenden entwickelt.
Solche Vernetzungen und Interessenvertretungen sollten überall etabliert und strukturell, z.B. durch feste Räume und Personal, abgesichert werden.
Unterstützung bei der Wiedereröffnung von Kulturorten sowie bei der Durchführung von Open-Air-Veranstaltungen durch Bürokratieabbau und einen transparenten Umgang mit Hygienekonzepten
Mit den umsichtigen Öffnungen im Kulturbereich eröffenen sich für uns Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen, denen wir uns verantwortungsbewusst stellen wollen. Wir erwarten dabei, dass Politik und Verwaltung die Kulturszene dabei unterstützen und nicht zusätzliche Fallstricke spannen. Unserer Ansicht nach fehlt es in der Verwaltung oft an Verständnis für freie und kleine Kulturträger:innen, was in den vergangenen Monaten schon zu kafkaesken Verbotsszenarien geführt hat.
Um dem entgegenzuwirken, müssen vereinfachte, möglichst unbürokratische Genehmigungsverfahren geschaffen werden, um während und auch nach Corona die Hürden für Kultur und Veranstaltungen im Freien abzubauen. Das würde der Mühe und dem Verantwortungsbewusstsein, welche sich beispielsweise in den Hygienekonzepten der Kulturorte und Veranstaltenden widerspiegeln, die vielerorts viel strenger sind, als beispielsweise die Regelungen für Einkäufe, Schulen oder Außengastronomie, nur angemessen Rechnung tragen.
Zudem vermissen wir einen transparenten und fairen Umgang mit Hygienekonzepten. Wir brauchen klare, konkrete Ansagen bezüglich der geforderten Hygienemaßnahmen seitens der Verwaltung bzw. eine zuverlässige Beratung, auch denkbar durch die Bereitstellung von Best-Practise-Konzepten.
Unzählige Hygienekonzepte wurden im letzten und in diesem Jahr, wenn überhaupt, nur oberflächlich geprüft und häufig ohne Begründung abgelehnt, wodurch Öffnungen trotz niedriger Inzidenzzahlen verhindert wurden. Wir wollen, dass Hygienekonzepte aufmerksam gelesen und gleichberechtigt beschieden werden.
Unterstützung von Politik und Verwaltung für Outdoor-Events
Vor dem Hintergrund einer Pandemiesituation ist die Verlegung von Kunst und Kultur an die frische Luft die risikoärmste Variante ein Grundrecht auf Kultur zu ermöglichen. Jedoch scheitern wir dabei oft an lärmempfindlichen Anwohner*innen oder einer verständnisarmen Verwaltung. Wir werden uns langfristig darauf einstellen müssen, dass mehr kulturelles Leben draußen stattfindet. Darum sind realistische Vorgaben bezüglich Kultur-Schallemissionen und die Erhöhung der Anzahl von möglichen Ausnahmegenehmigungstagen wichtige Schritte zum Erhalt der Kunst- und Kulturszene auch nach der Pandemie. Clubs und Musikspielstätten sind nicht erst seit Corona durch die Höhe des finanziellen Aufwands für Schallschutzmaßnahmen oft existentiell bedroht.
Neben der Verlegung nach draußen werden auch Antigen Schnelltests uns im alltäglichen Kulturbetrieb begleiten. Sichere Veranstaltungen bedingen negativ getestete, geimpfte oder genesene Besucher:innen. Es benötigt daher Unterstützung für die Kulturszene bei der Erstellung, Finanzierung und Realisierung von Teststrategien. So könnte bspw. die Ausbildung von In-House-Tester:innen gefördert werden oder eine Kultur-Teststation eingerichtet werden, die im Gegensatz zu den üblichen Stationen auch in den Abendstunden besetzt ist.
Die Schaffung von mehr dauerhaften Veranstaltungsflächen im Freien
Um Kultur im zweiten Coronasommer und darüber hinaus wieder in größerem Umfang zu ermöglichen, müssen von den Kommunen Flächen zur kulturellen Nutzung bereitgestellt werden. Die vorhandene Expertise von Akteur:innen der Kunst und Kultur muss bei der lokalpolitischen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. In Potsdam wurde mit der Inselbühne eine weitere Lokalität neben dem Bassinplatz geschaffen, allerdings wird die Verantwortung dafür auf bürgerschaftliches Engagement abgewälzt.
Eine offene Kommunikation und Verantwortungsübernahme seitens der Stadt
Sinnvolle Perspektiven für alle können nur gemeinsam auf den Weg gebracht werden, daher ist eine kontinuierliche und transparente Einbeziehung von Kulturschaffenden und deren Erfahrungen bei lokalpolitischen Entscheidungsprozessen unerlässlich.
Ein Vorschlag wäre ein durch die Stadt und die freie Szene gemeinsam erarbeitetes Potsdamer Open-Air-Kulturkonzept, welches Orte, Emissionen, Förderung und alle Stadtteile zusammen denkt. Die Kultursommerförderung ist mit dem Fokus auf die freie Szene sowie den Wegfall von Eigenanteilen ein guter Anfang, aber es braucht eine Verstetigung.